Der Deutsche Turner-Bund hat vor der Europawahl am 25. Mai die Parteien zu ihren Standpunkten in den Bereichen Breiten-, Freizeit- und Gesundheitssport und Ehrenamtsförderung befragt. Bei der diesjährigen Europawahl geht es – auch wenn diese leider nur sehr begrenzt in der Diskussion steht – um Sportpolitik im weitesten Sinne.
Drei Kernthemen
Drei der wichtigsten Themen sind für den Deutschen Turner-Bund (DTB) die Frage nach der Finanzierung von Breitensport, die Unterstützung von europaweiten Bewegungsinitiativen und –kampagnen wie „Now we move" der International Sports und Culture Association (ISCA) sowie die Bedeutung und Förderung des Ehrenamts im Sport und in der Gesellschaft.
Fragebogen an alle Parteien verschickt
Um die Positionen der unterschiedlichen Parteien zu diesen Themen herauszustellen, hat der DTB einen kurzen Fragebogen an alle zur Wahl stehenden Parteien verschickt. Darin wurde um die Beantwortung der folgenden Fragen zu den oben genannten Themenbereichen gebeten.
Frage 1 lautete: Stimmen Sie damit überein, dass die von der Europäischen Union geförderten Maßnahmen mit hoher Priorität sich auf die Förderung des Breiten-, Freizeit- und Gesundheitssports beziehen? Würden Sie politische Entscheidungen auf Europäischer Ebene, die sich auf dieses Anliegen beziehen, unterstützen?
Frage 2 lautete: Unterstützen Sie grundsätzlich die Vision „100 million Europeans to be active in sport and physical activity by 2020"? Würden Sie sich für eine Förderung von Maßnahmen in Rahmen der Umsetzung dieser Vision durch die EU-Gremien einsetzen?
Frage 3 lautete:Wie stehen Sie zum Ehrenamt im Sport und würden Sie Fördermaßnahmen der Europäischen Union in diesem Bereich mit unterstützen?
Die Anfrage hat ergeben, dass alle Parteien die Entwicklung in der EU bezüglich der Förderung von Sport als positiv ansehen. Eine Vernachlässigung des Spitzensports ist dabei jedoch nicht Ziel, es geht vielmehr um die Gleichstellung beider Bereiche. Auch soll durch die finanzielle Förderung das spezielle – vereinsbasierte - Sportsystem in der EU geschützt und gestärkt werden.
Besonders positiv an Bewegung ist für nahezu alle Parteien der gesundheitliche Effekt von Bewegung. Körperliche Aktivität reduziert das Risiko nicht übertragbarer Krankheiten wie Adipositas, die die Gesundheitssysteme belasten. Die Unterstützung europaweiter Initiativen ist daher durchweg gewollt. Ein wichtiger Punkt dabei ist jedoch die Umsetzbarkeit dieser auf lokaler Ebene, damit die positiven Effekte auch bei den Bürgern ankommen und nicht in einem bürokratischen Zentralismus untergehen.
In Bezug auf das Ehrenamt unterstreichen alle Parteien die große Bedeutung für die Gesellschaft. Daher ist der Wunsch aller bürokratische Hürden, die freiwilliges Engagement erschweren, weiter abzubauen. Kritisch wird gesehen, dass das sich EU-Recht in Bezug auf die Anrechnung von Ehrenamtsarbeit auf die monatlich zulässige Gesamtarbeitszeit vom deutschen Recht unterscheidet. Zudem wird festgehalten, dass ehrenamtliche Positionen nicht den Arbeitsmarkt belasten dürfen.
Wichtige Argumente und Kernpositionen der Parteien im Überblick
Christdemokratische Union (CDU):
Zu Frage 1: "Mit der Förderung des Bereichs Sport durch die Europäische Union eröffnet sich dem Sport eine neue europäische Dimension."
Zu Frage 2: Ein positiver Effekt des Breiten—und Gesundheitssports: „Die Kosten des Gesundheitssystems könnten durch aktivere Patienten drastisch gesenkt werden."
Zu Frage 3: Ein Problem einer einheitlichen europäischen Regelung für Ehrenamtsarbeit: „Für viele Ehrenamtliche in Sportvereinen, Feuerwehren oder Jugendverbänden würde eine Anrechnung ihrer ehrenamtlichen Einsatzstunden auf die Arbeitszeit erreicht."
Christsoziale Union (CSU):
Zu Frage 1: „Breiten- und Leistungssport sind zwei tragende Säulen des Sports." Gewünscht wird der „Ausgleich der Finanzmittel für beide Bereiche".
Zu Frage 2: Es gilt „ die Besonderheiten des EU Sportmodells zu sichern sowie die Gesundheitsförderung jung und alt und den Ausbau des Breitensports in Schulen (z.B.)voranzutreiben." „Wichtig ist der Ausbau des Breitensports in Europa, um Werte wie Toleranz, Respekt sowie Volksgesundheit zu fördern."
Zu Frage 3: „Das Gemeinwesen ist angewiesen auf Engagements" (nicht nur im Sport, d. Red.). Die Voraussetzungen für Engagement sollen verbessert werden – ein Beispiel für diese Bemühungen ist der Deutsche Engagementpreis. „Die Kommerzialisierung des Sports darf nicht dazu führen, dass das Ehrenamt im Sport vernachlässigt wird."
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD):
Zu Frage 1: „Sport kann ein wirksames Instrument zur Stärkung des Zusammenhalts in der europäischen Gesellschaft sein". „Die EU sollte sich schwerpunktmäßig auf die Förderung der Breiten-, Freizeit- und Gesundheitssportentwicklung beziehen und dabei auch das ehrenamtliche Engagement in dem Mittelpunkt stellen." Kritisch wird der geringe Anteil des Sportbereichs an der gesamten Fördersumme gesehen; dieser entspricht nicht der Bedeutung.
Zu Frage 2: „Das Bewusstsein für die Notwendigkeit sportlicher Betätigung bei Menschen jeden Alters muss gestärkt werden. Sport sollte stets ein verpflichtender Bestandteil der Lehrpläne an Schulen und Universitäten sein und bleiben - nicht primär um die sportliche Exzellenz im Wettbewerb zu fördern, sondern um Spaß an Bewegung und Sport zu vermitteln." „Das Projekt wird unterstützt, da es dafür Sorge trägt, dass Menschen jeden Alters wieder zu sportlicher Aktivität zusammenfinden können."
Zu Frage 3: „Ehrenamtliches Engagement ist für uns eng verbunden mit der Generierung von Sozialkapital, der gesellschaftlichen Integration und der individuellen Partizipation an gesellschaftlichen Prozessen im demokratischen Sinne." „Engagement setzt bestimmte pädagogische aber auch sportfachliche Qualifikationen voraus. Daher muss es Möglichkeiten der Weiterbildung und Qualifizierung von Ehrenamtlern geben". Gefordert wird zudem die Flexibilisierung des Ehrenamts und eine stärkere Wertschätzung des freiwilligen Engagements, insbesondere in der Arbeitswelt.
Bündnis 90 / Die Grünen:
Zu Frage 1: „Wir GRÜNE stehen für eine eindeutige Schwerpunktsetzung zu Gunsten der Förderung des Breitensports in Europa." „Breitensport bietet aber auch die Gelegenheit zum Kennenlernen und zum Austausch über nationalstaatliche Grenzen hinweg und kann daher einen wichtigen Beitrag zur Europäischen Einigung leisten."
Zu Frage 2: "Mangelhafte Bewegung hat in den Mitgliedstaaten der EU unter anderem zu einer wachsenden Zahl von Menschen geführt, die unter Adipositas oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden." „Die EU ist ebenso wie die Mitgliedsstaaten in der Pflicht, Initiativen zu unterstützen, die Menschen zu mehr Bewegung motivieren." Zudem sei aktive Gesundheitsvorsorge durch körperliche Aktivität notwendig.
Zu Frage 3: „Ehrenamtliches Engagement ist ein wichtiger Teil einer aktiven Bürgerschaft, die wir GRÜNE befürworten." „Dieses Engagement verdient Anerkennung und Unterstützung – auch durch die Europäische Union. Wir GRÜNE sehen daher die Politik in der Pflicht, Voraussetzungen zu gestalten, die zu ehrenamtlichen Engagement ermutigen und dessen Bedeutung wertschätzen." „Auf nationaler Ebene bedeutet dies unter anderem ein Steuer- und Gemeinnützigkeits-, Spenden- und Vereinsrecht, das ehrenamtliches Engagement honoriert."
Freie Demokratische Partei (FDP):
Zu Frage 1: „Die Förderung des Sports, insbesondere des Breitensports mit eindeutiger Verbindung zum Gesundheitsbereich ist wichtig."
Zu Frage 2: „Menschen in Bewegung zu bringen ist unterstützenswert, dabei sollten Abgeordnete als Botschafter dienen." Gewarnt wird vor einer Zentralisierung des Projekts – Projekte sollen lokale Initiativen fördern, die Lust auf Engagement und Mitmachen wecken.
Zu Frage 3: Das Ehrenamt trägt zur Sicherung des sozialen Zusammenhalts bei und fördert die Bildung eines verlässlichen Netzwerkes bei. Die FDP unterstützt die Bürokratiebefreiung für ehrenamtliche Arbeit.
DIE LINKE:
Zu Frage 1: „Sport ist zudem ein wichtiger Bestandteil der Prävention und der Rehabilitation". Die Linke plädiert für die Schaffung einer entsprechenden Infrastruktur.
Zu Frage 2: „Sport kann einen wichtigen Beitrag leisten, beispielsweise Adipositas oder Herz-Kreislauferkrankungen entgegenzuwirken." „Die Förderung entsprechender Projekte auf EU-Ebene ist zu begrüßen". Für die Linke ist es wichtig, dass es klare und transparente Kriterien für die Förderung gibt.
Zu Frage 3: „Wichtig bei der Förderung des Ehrenamts ist, dass gleichzeitig keine regulären Arbeitsplätze verdrängt oder überflüssig gemacht werden dürfen. Zudem müssen im Ehrenamt insgesamt bürokratische Hürden abgebaut werden, um das Engagement zu erleichtern." Die Linke setzt sich für eine verbesserte Anerkennungskultur ein, um auch wieder mehr Nachwuchs für Ehrenämter zu gewinnen.
(Text: DTB Presse)